Demokratie.

Im vergangenen Jahr haben wir 100 Jahre Republik Österreich gefeiert. In dieser Zeit hat sich unser Land, aber auch unsere Demokratie stark entwickelt. War zu Beginn dieses “Projekts” das Vertrauen in die neue Staatsform noch gering, festigte sich diese nach der dunkelsten Epoche unserer Geschichte. Doch eine einmalige Akzeptanz und ein Vertrauen in demokratische Institutionen bedeuten nicht das Ende der Fahnenstange. Diese müssen wir uns immer neu erkämpfen und dazu gehört auch, unsere Demokratie weiterzuentwickeln. 

Dementsprechend wurden im Laufe der Jahre die Mittel der direkten Demokratie gestärkt und ausgebaut. In Österreich kommen auf Bundesebene seit vielen Jahren Volksbegehren zum Einsatz, die oft nachhaltigen Eindruck hinterließen und die politische Debatte geprägt haben. Erwähnenswert ist beispielsweise das Rundfunkvolksbegehren 1964, welches zu einer vollständigen Umstrukturierung des ORF hin zu einer von Parteieinfluss unabhängigen Institution führte. Andere Werkzeuge wie Volksbefragungen oder Volksabstimmungen bieten zwar ebenso Möglichkeiten, fanden bis dato allerdings nicht im selben Ausmaß Verwendung. 

Wird heute über direkte Demokratie diskutiert, wird sie meistens als Gegensatz zu unserem repräsentativen System, in dem wir Vertreter wählen, die für uns Entscheidungen treffen, dargestellt. Ich glaube aber nicht, dass es hier um ein Entweder-oder geht. Weder gewählte Abgeordnete noch direkte Demokratie sind für sich alleine stehend die vollständige Lösung. Weder kann ein Repräsentant zu jedem Zeitpunkt wissen, wie die Stimmung der Bevölkerung zu jedem Thema ist, noch kann man allen Bürgern zumuten, sich wöchentlich durch viele hundert Seiten an Dokumenten durcharbeiten zu müssen. Die beiden Elemente können sich aber dort ergänzen, wo es sinnvoll ist, wie sich etwa auf kommunaler Ebene zeigt. 

Auf lokaler Ebene sind partizipative Verfahren in vielen Fällen sehr, sehr sinnvoll. So ermöglichen Bürgerräte wie etwa in Vorarlberg die tiefergehende Auseinandersetzung der Bürger mit einem Projekt und partizipative Budgets geben der Bevölkerung die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung von Politik. Auf dieser politischen Ebene ist direkte Demokratie meiner Meinung nach am besten anzuwenden und muss von uns stärker gefördert werden. Die Verbundenheit zu demokratischen Verfahren steigt durch das bessere Verständnis für ebendiese.

Zur weiteren Stärkung unserer Demokratie braucht es aber auch eine andere Herangehensweise an unsere Repräsentanten. Abgeordnete zum Nationalrat sind die – neben dem Bundespräsidenten – einzigen gewählten Vertreter, die wir auf Bundesebene haben. Die Rolle, die dem Parlament aber zukommt, ist im Alltag meist geringer als jene der Ministerien.

Das hängt auch damit zusammen, dass uns der Parlamentarismus in Österreich nicht genug wert ist, um sinnvoll angewendet zu werden. So gibt es im österreichischen Parlament viel zu wenig fachliche Unterstützung für Abgeordnete, die ein Gesetz erstellen möchten. Unser Ziel sollte es sein, allen Abgeordneten – unabhängig von der Größe und Rolle ihrer Fraktion – die Möglichkeit zu geben, auch gesetzgeberisch tätig zu werden. Ein legistischer Dienst, der bei der Umsetzung von Gesetzesvorhaben unterstützt, kann hier eine Verbesserung schaffen und dem Parlament mehr Eigenständigkeit geben. Denn es reicht nicht, eine politische Idee formulieren zu können, sie muss auch juristisch eine entsprechende Qualität haben. 

Ebenso zu diskutieren sind die Einführung eines wissenschaftlichen Dienstes,der dem Parlament mit fachlicher Expertise zur Seite steht, nach Vorbild des deutschen Bundestags. In Deutschland veröffentlicht dieser Dienst zu verschiedensten Themen Recherchen und wissenschaftliche Erkenntnisse, ermöglicht damit ein breiteres Verständnis komplexer Zusammenhänge und ist dadurch nicht nur förderlich für die Arbeit der Abgeordneten, sondern auch für interessierte Bürger, die auf die öffentlich verfügbaren Dokumente zugreifen können. 

Die Basis unserer Arbeit im Nationalrat ist unsere Geschäftsordnung. Im Jahr 1975 eingeführt und mehrmals verändert, ist sie heute nicht mehr so flexibel und zeitgemäß, wie es für einen modernen parlamentarischen Betrieb notwendig wäre. Eine Modernisierung dieser steht bei der ÖVP ganz weit oben auf der To-Do-Liste. 

Wichtig in heutigen Zeiten ist es aber auch den Bürgern in den bestehenden Strukturen mehr Mitspracherecht zu geben. Bei Bürgerinitiativen und Petitionen teilweise bereits möglich, hat die Digitalisierung im Bereich der Wahlen bisher noch nicht Einzug gehalten. Aufbauend auf den Erfahrungen aus Estland und anderen Staaten müssen wir neueste technische Entwicklungen betrachten und die Einführung von E-Voting diskutieren, um den Menschen eine einfachere Partizipation zu ermöglichen. Auch fordern wir ein eigenes Parlamentsfernsehen wie in anderen Parlamenten. Tolle pädagogische Konzepte wie die Demokratiewerkstatt für Schülergruppen im Parlament muss es auch für die Landtage geben. Wir fordern auch das Pflichtfach “Staatskunde” in der Schule, dass sowohl demokratische Bildung als auch Medienkompetenz beinhalten soll.

Renovieren wir nicht nur das Parlamentsgebäude sondern verbessern wir auch unseren Parlamentarismus. Um den Kreis zu schließen: Unser Bundespräsident Van der Bellen hat bei den Feierlichkeiten zu 100 Jahre Republik folgendes gesagt: “Demokratie ist manchmal vielleicht umständlich und mühsam. Aber sie darf uns niemals zu mühsam sein.” Sie ist eben der beste Weg um friedlich zusammenleben zu können. Sie ist es wert, sie weiter zu verbessern. Dafür möchte ich mich weiterhin einsetzen.